Die Tech-Branche formt unsere Welt neu. Zum Glück mischen ein paar Frauen die Männerbünde der Start-Ups und IT-Industrie auf.
Frankfurter Allgemeine Quarterly 7
Juni 2018
Brotopia – so nennt die amerikanische TV-Journalistin Emily Chang die Szene der Tech-Typen, die ganz brüderlich unser aller Zukunft gestalten. Chang berichtet seit sieben Jahren aus dem Silicon Valley und hat ihre Erfahrungen in einem Buch zusammengefasst: „Brotopia: Breaking up the Boys’ Club of Silicon Valley“. Dass in der IT-Branche primär weiße Männer ihre Utopien umsetzen, wird schon lange kritisiert. Chang beschreibt eine Machokultur, die schwer zu erschüttern ist und die im Silicon Valley Partys feiert, auf denen Häppchen auf nackten Frauenkörpern drapiert werden. Welche Frau hält es da schon aus?
Wenige. Der Anteil weiblicher IT-Fachkräfte liegt bei Apple bei 23 Prozent, bei Google bei 20 und bei Facebook sowie Amazon sind es jeweils 19 Prozent – auf den Führungsebenen findet man fast gar keine Frauen. Software-Entwicklerinnen, die es so weit wie Elon Musk bringen, gibt es nicht. Und so schafft es die reichste IT-Unternehmerin in Amerika, Judith Faulkner, gerade mal auf ein Vermögen von 3,5 Milliarden US-Dollar, während Jeff Bezos auf 132,2 Milliarden kommt, Bill Gates auf 91,7 und der drittplazierte Mark Zuckerberg noch über das Zwanzigfache des Vermögens von Faulkner verfügt.
Und das, obwohl der Beginn der Computergeschichte weiblich war: Programmieren galt als „Frauenarbeit“, glich es doch dem, was Sekretärinnen machten. IT-Pionierin Grace Hopper erklärte 1967, Frauen seien Naturtalente, denn Programmieren sei wie Abendessen zubereiten: Man müsse alles vorausplanen. Als aber klar wurde, dass man mit den Computern die ganze Welt verändern und viel Geld verdienen würde, entdeckten Männer die Geräte für sich. In der Folge sank der Anteil der Informatikstudentinnen weltweit ab den achtziger Jahren stetig, während sich das Bild des männlichen Nerds etablierte.
In Deutschland arbeiten noch weniger Frauen in der Tech-Branche als in den Vereinigten Staaten, nur 16,6 Prozent, und auch der Gender Pay Gap ist mit 25 Prozent größer als überall sonst. Diejenigen, die sich trotzdem durchsetzen, Programmiererinnen, Gründerinnen, Informatikerinnen, erzählen auf den nächsten Seiten, wie sie das schaffen – und wie sie für andere Verhältnisse in der Zukunftsbranche kämpfen.
Maren Heltsche, 40, Programmiererin bei der Stiftung myclimate:
„Eigentlich haben alle Kinder die Grundmotivation zum Programmieren und die ist: Dinge zu bauen. Jungen bekommen dann auch die Bauklötze, Mädchen werden dagegen eher in Rollenspielen, Malen und Puzzlen bestärkt. Ihnen wird immer noch nicht zugetraut, dass sie sich für Technik begeistern.
Frauen, die es trotzdem tun, haben es oft schwer: Eine Freundin hat das Informatik-Studium abgebrochen, weil sie sich nicht willkommen fühlte. Die männlichen Kulturen in der Branche sind so stark. Ich war einmal während eines Projekts drei Monate bei einem Start-Up zum Programmieren, dort gab es zwei Frauen von 40 Angestellten im Großraumbüro. Einige Männer haben sich den Spaß gemacht, die ganze Zeit mit Nerf-Guns, Spielzeuggewehren, durch das Büro zu schießen. Das vermittelt Aggression, denn es ist laut und tut weh, wenn man diese Schüsse abkriegt. Ich habe mich unwohl gefühlt, obwohl es ja nicht gegen mich gerichtet war. Und auch die Small Talk Kultur in der Branche ist männlich dominiert. Männer, die sich über ihre Sneaker-Sammlung unterhalten, sind cool, Frauen, die über Schuhe reden, haben einen Schuh-Tick. Da entsteht unbeabsichtigt eine relativ frauenfeindliche Kultur. Ich wurde in der Vergangenheit auch regelmäßig für die Sekretärin oder Assistentin gehalten, in der Erwartung, der eigentliche Experte wäre mein Kollege.
Ich kenne noch ein paar Frauen in der Generation vor uns, die dieses Männerspiel mitmachen. Aber es muss sich etwas verändern. Wir müssen klarmachen, dass Sexismus in der IT-Branche kein persönliches, sondern ein strukturelles Problem ist. Dazu tragen die neuen Frauen-Gruppen bei, wie etwa die Digital Media Women, die vor acht Jahren in Hamburg gegründet wurden, um Frauen in ihrem professionellen Umfeld und auf Bühnen sichtbarer zu machen. Oder die Railsgirls, die den Quereinstieg für Programmiererinnen ermöglichen. In ihren Workshops habe ich gelernt, was für ein extrem befriedigendes, ermächtigendes Gefühl es ist, etwas zu erschaffen, das gleich funktioniert. Mit anderen Frauen von den Railsgirls habe ich eine Lerngruppe gegründet, in der wir gemeinsam Sachen entwickeln. Dabei ist etwa die Seite „Speakerinnen“ entstanden, die zweierlei macht: Sie dokumentiert die Geschlechterverteilung auf Konferenzen und speziell auf Podien und zeigt auf, dass noch sehr viel im Argen liegt. Außerdem dient sie als Datenbank für die Profile diverser Expertinnen, die gern auf Podien gehen würden. Da kann niemand mehr sagen: Wir haben einfach keine Frauen gefunden.
Eine Seite wie Speakerinnen wäre von Männern nicht gebaut worden. Es ist so wichtig, dass unterschiedliche Menschen Teil haben an der Entwicklung neuer Apps, Geräte und Plattformen und dass ganz viele Perspektiven einfließen. Sonst passiert es, dass etwa Handys entwickelt werden, die einhändig nur von Männern mit großen Händen bedient werden können.
Männer können natürlich auch Verbündete im Kampf gegen die gegenwärtigen Machtverhältnisse sein. In meiner IT-Abteilung sind wir sieben Leute, ich bin eine von zwei Frauen. Ich arbeite sehr eng mit zwei Männern, die beide sehr feministisch sind. In der Zusammenarbeit reflektieren wir unsere Dynamiken zu dritt, um nicht die alten Rollenmuster zu reproduzieren.“
Julia Kloiber, 32, Senior Fellow bei Mozilla:
„Ich habe mich dank meiner Eltern früh mit Computern auseinandergesetzt: Als ich noch in dem Alter war, in dem man sich als Mädchen ein Barbiehaus wünscht, stand da dieses riesige Geschenk, ein Paket, das genau danach aussah. Zu meiner anfänglichen Enttäuschung war es kein Puppenhaus, sondern ein Computer. Internet hatte ich noch nicht, also fing ich an, Texte zu schreiben und mit Word zu experimentieren. Nicht nur meine Eltern sahen in mir wohl technisches Potential: Auch meinen ersten Liebesbrief erhielt ich auf einer Diskette.
Trotzdem studierte ich dann erstmal Design und nicht Informatik. Es fehlten die Role-Models. Ich arbeitete eine Weile beim Film, in New York, bei ‚Women make Movies‘. Da wurde mir klar: Das Gleiche, was für Frauen in der Geschichte des Films gilt, die unsichtbar gemacht wurden, kann man für die Software-Entwicklung beanspruchen.
Als ich später bei der Open Knowledge Foundation Deutschland anfing, war ich die erste und damals einzige Frau im Team. Die Kollegen dort förderten mich, weil sie es wohl spannend fanden, dass ich mich dafür so interessierte und Design-Skills mitbrachte. Sie gaben mir viele Chancen, mich nach außen zu repräsentieren, und so wurde ich selbst zur Inspiration für andere Frauen. Heute arbeiten mehr Frauen als Männer dort. Meine Projekte wurden immer größer, bis ich Teams leitete, etwa zuletzt ein Förderprogramm für Open Source, über das mehrere Millionen Euro vom BmBF vergeben werden. .
Um die sexistischen Machtverhältnisse in der Branche zu verändern, muss man Frauen schnell in Führungspositionen bringen, Role-Models schaffen. Aktuell wird schon beim Recruiting einiges falsch gemacht. Die Unternehmen schicken männliche Rekrutierer an die Unis und die machen dann ihre Witze – da ist man als Frau schnell wieder weg.
Seit Kurzem arbeite ich bei Mozilla – eines der wenigen Technologie Unternehmen, das eine Frau leitet. Weibliche Äquivalente zu Elon Musk und Mark Zuckerberg, Software-Engineers, die es so weit geschafft haben, gibt es sonst keine. Hier bei Mozilla sind einzelne Angestellte ausschließlich für die Diversität der Mitarbeiter verantwortlich, sie erstellen Reporte, die zeigen, wie es aktuell aussieht.
Es geht noch nicht einmal darum, Frauen aus Prinzipien der Gerechtigkeit, aus Political Correctness in Führungspositionen zu bringen. Es muss lauten: Wenn wir sie nicht holen, verpassen wir total viel. Ein Unternehmen kann viel erfolgreicher sein, wenn es aus heterogenen Teams besteht. Heterogene Teams sind anstrengender und diejenigen, die über Jahre sehr privilegiert waren, müssen sich zurücknehmen. Aber: So entstehen die besseren, interessanteren Tools.
Es gibt klare Maßnahmen, um eine Willkommenskultur für Frauen zu etablieren. Man kann nicht voraussetzen, dass jeder, der bislang gut mit den Machtverhältnissen lebte, eine hohe Sensibilität hat. Man braucht einen Code of Conduct, explizite Regeln für den Umgang miteinander. „Keine Regeln und keine Hierarchien“, wie es dem Hacker-Geist angeblich entspricht, ist ein Zustand, den es nicht gibt. Die Behauptung verschleiert nur die undurchsichtigen, unausgesprochenen Regeln, die denjenigen zugute kommen, die sich angesichts der gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse leichter durchsetzen können. Denen fällt es gar nicht auf, wenn, wie neulich bei einer Konferenz im Silicon Valley, ein Software-Entwickler über sein Team sagt: ‚All my boys are handpicked.‘“
Carola Lilienthal, 56, Geschäftsführerin der WPS – Workplace Solutions GmbH in Hamburg:
„In meinen Job stehe ich oft vor Vorständen und muss sie von meiner Kompetenz überzeugen. Häufig kommt mir dabei Skepsis entgegen, denn Männer halten mich automatisch für jünger und unerfahrener als ich eigentlich bin. Deshalb sage ich meistens sofort: „Ich bin die Geschäftsführerin der WPS, ich bin jetzt 50 und habe einen 18-jährigen Sohn.“ Dann gucken die oft erst und denken vielleicht: „Oh, die ist ja älter als ich dachte und hat offensichtlich schon Erfahrung“. Dann werde ich ernstgenommen. Meistens genieße ich solche Situationen und denke: „Denen zeig ich es jetzt mal!“
Ich musste mich viel mit der Frage beschäftigten, wie ich auf andere wirke. Ich tendiere dazu zu denken, dass ich etwas falsch mache oder Schuld bin. Das kann nicht die Lösung des Problems sein. Ich habe viel an mir gearbeitet, um zu verstehen, was genau in solchen Situationen passiert. Inzwischen weiß ich, dass ich einfach mit einem gewissen Wumms auftreten muss, um Respekt zu bekommen. Ich sehe in meiner Umwelt häufig ein ähnliches Muster. Man traut Frauen einfach weniger zu. Selbst mir passiert das. Wenn ich mir z.B. überlege, wen ich zum Kunden mitnehme sollte, dann gucke ich zuerst auf die Männer. Dieses Muster ist in uns einprogrammiert.
Die ersten Software-Systeme wurde von Frauen geschrieben. Bis in die 80er Jahre stieg der Frauenanteil in der Informatik stetig an, dann ist er plötzlich wieder abgesackt. Damals kam die Idee des Home-Computing auf. Die Werbung zeigte männliche Nerds, die alleine vor dem Rechner saßen. Doch die wenigsten Frauen möchten gerne alleine irgendwo sitzen. Gleichzeitig haben viele Männer ihre Liebe zum Programmieren entdeckt und festgestellt, dass man mit diesem Job durchaus Geld bringt. So wurde aus einem weiblich geprägten Feld eine Männer-Domäne. Heute trauen sich viele Frauen Informatik nicht zu und stellen dabei ihr Licht unter den Scheffel. Daher haben wir bei WPS bei Bewerbungsgesprächen andere Kriterien für Frauen als für Männer. Wenn ich das Gefühl habe, dass eine Frau intelligent ist und gerne Software schreibt, dann nehme ich sie, auch wenn sie sich im Gespräch klein gemacht hat. Bei Männern kommt es sehr viel seltener vor, dass sie sich klein machen.
Mein Glück war, dass ich auf einer reinen Mädchenschule war. Laut Studien studieren 30 Prozent der Schülerinnen solcher Schulen später Naturwissenschaften. Auch ich konnte ungestört in den Computerraum spazieren. Ich habe dort einen Apple IIe Computer angeschaltet, das Handbuch aufgeschlagen und „Print, Hello“ eingegeben. Später haben wir im Physikunterricht einen Computer gebaut. Meiner konnte „Alle meine Entchen“ spielen, das war richtig gut. Dann kam die Uni und alle wollten mir auf einmal helfen. Das war ja nett, aber ich wusste doch, was ich mache. Ohne die Erfahrungen in der Schule hätte ich sicher nicht Informatik studiert.
Ich glaube, wir brauchen einen Bewusstseinswandel. Die Informatik durchdringt jeden Lebensbereich. In jedem Auto laufen 6 Millionen Zeilen Software, Wasser, Strom, alles funktioniert nur mit Software. Wenn ich etwas entwickle, dass die Welt so umfassend bestimmt, sollten doch so viele unterschiedliche Sichtweisen wie möglich daran beteiligt sein. Ich wünsche mir in Teams nicht nur Frauen, sondern auch Afrikaner oder Asiaten. Nur so kann etwas gebaut werden, dass wirklich alle betrifft und nicht ein System, dass ein westliches, männliches Schema auf die Welt presst.“
Alev Canoglu, 24, Informatik-Studentin und Gründerin der „Female Tech Leaders“:
„Als Frau in der Tech-Branche kämpft man immer damit, als kleines Mädchen oder Flirtobjekt gesehen und nicht richtig ernst genommen zu werden. Es ist wie ein andauerndes Störgeräusch, ein Kühlschrank, der immer brummt. Nicht wirklich schlimm, aber es kostet Gedankenkraft und Energie, es zu ignorieren. Auch deshalb habe ich das Netzwerk der „Female Tech Leaders“ gegründet. Ich finde es wichtig, dass sich Frauen gegenseitig unterstützen und über ihre Erfahrungen austauschen können.
Bei mir kommt noch hinzu, dass ich Deutsch-Türkin bin. Das verstärkt das Störgeräusch im Hintergrund. Wenn etwas nicht so gut läuft, weiß ich nie woran es genau liegt: Weil ich Frau bin? Weil ich Türkin bin? Oder weil ich an mir arbeiten sollte? Ich habe früh gelernt, mich über solche Zweifel hinwegzusetzen. Als ich zum Beispiel trotz Einser-Schnitt in der Grundschule auf die Realschule geschickt wurde, habe dann einfach selbstständig das Abitur gemacht. Aber ich musste doppelt beweisen, dass ich obwohl ich „Türkin“ und noch dazu „Frau“ bin, sogar besser denken, studieren oder programmieren kann als viele weiße Männer ohne Migrationshintergrund.
Eine meiner unangenehmsten Erinnerungen war ein Bewerbungsgespräch vor ein paar Jahren: Ich hatte das Gefühl, kompetent auf alles antworten zu können. Trotzdem wurde ich nicht genommen. Als ich wissen wollte warum, sagte mein Interviewer: „Du gibst dich zu feminin, bist zu sehr das Girly. Es ist schwer, dich als Informatikerin ernst zu nehmen.“ Ich habe dann monatelang mich selbst und mein Auftreten hinterfragt. Dabei war ich ganz normal gekleidet: Blazer, Hose, Bluse. Auch andere Frauen der „Female Tech Leaders“ erzählen, dass sie am Anfang eines Meetings ein Kompliment zu ihrem Aussehen bekommen und dann im fachlichen Gespräch überhört werden. Viele haben das Gefühl ständig angeflirtet zu werden. Auch ich bekomme viele Emails mit zwinkernden Emojis und wurde schon mal nachmittags um drei zum Wein eingeladen, obwohl es eigentlich ein Geschäftsessen sein sollte. Meist sind solche Einladungen so zweideutig, dass es schwer ist zu sagen „hey, das geht aber nicht.“ Wenn ich aber nichts sage, bleibt ein mulmiges Gefühl und das andauernde Nachdenken wie ich am Besten auftreten soll.
Ich glaube, dass sich auch deshalb so wenige Mädchen für Informatik entscheiden. Ihnen wird suggeriert, dass sie der Informatiker-Nerd werden müssen, der nur im Keller hockt und LAN-Parties schmeißt. Dabei eignen sich feminine Frauen, die vielleicht etwas ruhiger und emotionaler sind, besonders gut als Führungspersönlichkeiten in der Tech-Welt. Führen heißt ja gerade nicht andere Menschen zu dominieren, sondern zu spüren wie ich sie motivieren kann. Leider herrscht immer noch die Annahme vor, dass gute Führungspersönlichkeiten männlich-dominant sein müssen. Bei den „Female Tech Leaders“ organisieren wir daher Veranstaltungen, bei denen erfolgreiche Frauen von ihren Erfahrungen berichten. Damit wollen wir jüngeren Generationen zeigen: Schau mal, die gibt es. Die sehen aus wie du, es sind auch nur ganz normale Frauen. Du kannst das auch schaffen.“
Lina Wüller, 30, Gründerin der Zyklus-App „Ovy“:
„Heute muss ich schmunzeln, wenn ich an den Moment zurückdenke, als meine Schwester und ich das erste Mal unsere Zyklus-App samt Thermometer vor Investoren gepitcht haben – natürlich war es eine reine Männerrunde. Alles rund um die weibliche Periode ist immer noch ein Tabu-Thema. Viele der Investoren haben sehr zögerlich reagiert, auch weil sie unser Produkt nicht selbst testen konnten. Ich glaube, sie haben an mich und meine Schwester als starkes Frauen-Team geglaubt, aber in dieser ersten Runde ist keine Finanzierung zu Stande gekommen. Irgendwann habe ich dann begonnen, meine persönliche Geschichte zu erzählen: Ich bin mit Mitte 20 ungewollt schwanger geworden. Ich wollte wie viele meiner Freundinnen die Pille nicht mehr nehmen und habe angefangen auf einem Zettel meine Temperaturkurve abzubilden. Das war einfach zu ungenau. Ich dachte damals, irgendwie bekommst du das schon hin, aber die Natur hat dann für mich entschieden, sodass ich das Kind nicht bekommen habe. So bin ich mit meiner Schwester auf die Idee zu Ovy gekommen, denn mit Hilfe einer App, die die Temperatur direkt empfängt, hätte ich meine fruchtbare Phase genauer berechnen können. Wir haben dann in unserer Küche am ersten Prototypen gebastelt und uns gewundert, dass es so etwas in Deutschland noch nicht gibt. Bei der App können Frauen Temperatur und andere Körpersignale wie Zervixschleim oder Lage des Muttermundes eingeben. Ein Algorithmus berechnet dann die furchtbaren Tage. Diese so genannte symptothermale Methode wurde bereits in den 20er Jahren entdeckt und in den 60er Jahren weiterentwickelt. Sie gilt bei richtiger Anwendung als sehr sicher. Es ist unglaublich, dass sie erst heute digitalisiert wird. Für mich zeigt das auch, wie wichtig es ist, dass auch Frauen Entwicklerinnen und Gründerinnen werden. Die Bedürfnisse von Frauen werden sonst zu leicht übersehen.
Für mich war es sehr wichtig, meine Schwester dabei zu haben. Wenn du ein Start-Up gründest musst du immer wieder Rückschläge hinnehmen. Es war gut, einen Partnerin an der Seite zu haben und sich gegenseitig zu unterstützen. Wir haben in den letzten zwei Jahren auch festgestellt, wie wichtig Frauen-Netzwerke sind, nur gibt es diese noch viel zu wenig. Bei uns rufen immer wieder Frauen an und fragen wie wir das gemacht haben. Ich sage dann immer: Tretet selbstbewusst auf, verkauft eure Idee und hört auf das Bauchgefühl. Dann klappt es schon.“