Warum wir nicht müde werden dürfen, uns über Gewalt gegen Geflüchtete zu empören. Ein Kommentar

Spiegel Daily
Januar 2018

Vergangenen Freitag erreichte der Hass gegen Geflüchtete in Sachsen einen neuen Höhepunkt. In Wurzen, einer Stadt östlich von Leipzig, stürmte eine Gruppe Einheimischer ein Wohnhaus von Geflüchteten, nachdem es schon zuvor zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen war.

Den meisten Zeitungen war der Vorfall nur eine Randnotiz wert. Sie übernahmen lediglich die Polizeimeldung – zum Teil ohne zu erwähnen, dass die Polizei bereits darauf hingewiesen hatte, dass die Taten rassistisch motiviert sein könnten.

Henrik Merker, einer wenigen Journalisten, der selbst zur Recherche nach Wurzen fuhr, wurde am Dienstag Abend von aufgebrachten Anwohnern aus der Stadt gejagt, wie er über Twitter bekannt gab.

Er wollte über eine Kundgebung berichten, auf der Flugblätter mit Falschaussagen verbreitet wurden, wie etwa: Die Geflüchteten wären mit Macheten, Messern und Elektroschockern bewaffnet auf die Wurzener Jugendlichen losgegangen. Merkers Anwesenheit war da nicht erwünscht. Die Anführer der Kundgebung vertrieben ihn und versuchten, seine Bilder zu kontrollieren.

Wäre das auch passiert, wenn weitere Journalisten von überregionalen Medien nach Wurzen gefahren wären, um die Taten vom Freitag aufzuarbeiten und auch um die rassistischen Mobilisierungen in deren Folge kritisch zu begleiten?

Rassistische Übergriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte finden in Deutschland permanent statt – die Empörung darüber bleibt immer öfter aus.

Anfang des Jahres wurden in Cottbus etwa drei Asylsuchende von mehreren Personen rassistisch beleidigt und mit Schlagringen und Bierflaschen angegriffen. Als sie sich in die Unterkunft flüchten wollten, ließ das Wachpersonal sie nicht ins Haus. Es gab keine Polizeimeldung zum Vorfall und überregionale Berichterstattung erst recht nicht. Nur die Initiative „Cottbus schaut hin“ schrieb darüber – und zeigte auch die Verbindungen des Chefs der Sicherheitsfirma zu rassistischen Gruppieren auf.

Solche Initiativen übernehmen oft ehrenamtlich die Arbeit, die Journalistinnen und Journalisten machen sollten. Je weniger Aufmerksamkeit die Medien diesen Vorfällen schenken, desto ungehinderter können die Rechten sich organisieren.